Die Weisheit der Kaffeetasse

Sie stand einfach nur da an diesem Morgen, als ich zum zweiten Mal in dieses Büro kam. Sie schien mich anzustarren. Ein bisschen schmutzig war sie, aber doch von schöner Gestalt. Ich setzte mich und starrte zurück. Sie schien mir etwas sagen, etwas erklären zu wollen, doch als mein Computer sich mit jämmerlichem Gepiepse zu Worte meldete, verlor ich das Interesse. Ich schob sie achtlos zur Seite und fragte mich, wer da wohl seine Kaffeetasse vergessen hatte.

Denn es war zu einer Zeit, als die Welt noch überschaubar war. Ich freute mich am Morgen, mit dem Durchsehen der Tagespresse und dem Schreiben von FürSieGelesen-Notizen (FSGs) eine echte Aufgabe zu haben und ging abends nach Hause mit dem Gefühl, dass alles erledigt war.

Doch schon bald war es aus Zeitgründen nötig, die FSGs fertigzustellen, bevor ich sie angefangen hatte. Aus einer scheinbar harmlosen Nachfrage zu einem Gesetzestext entwickelte sich ein täglicher email-Wechsel mit dem Börsenverein des Buchhandels. Ich lernte das Gefühl kennen, sich mit fremden Menschen über Dinge zu unterhalten, bei denen man froh sein kann, wenn man die eigene Fragestellung versteht. Das Gefühl, nach Problemen zu suchen, die gar nicht zu existieren scheinen. Und am Abend ging ich nur deshalb nach Hause, weil das im menschlichen Organismus eben so vorgesehen ist.

Schon bald stellte sich ein Missverhältnis ein zwischen der Zahl der Aufgaben, die am einen Ende ankamen und der Zahl derer, die am anderen Ende verschwanden. Einige richteten sich besonders häuslich auf meinem Schreibtisch ein, weil es nicht immer einfach war, vor Timos Nachfragen zu bestehen. Der Fortschritt im Laufe des Praktikums zeigte sich nicht zuletzt daran, dass ich nach erfolgter Recherche zunehmend länger standhalten konnte, bis ich dann doch mit einem „Weiss ich nicht, muss ich nachfragen“ aufgeben musste.

Da erst wurde mir bewußt, welche Weisheit diese Kaffeetasse mir an jenem Morgen mitteilen wollte: Man muss die Dinge, die man annimmt, vorher filtern. Wer, wenn nicht eine Kaffeetasse, hätte mir dies anschaulicher erklären können?
Gegen Timos Erbarmungslosigkeit im Zuteilen neuer Aufgaben gab es kein anderes Mittel. Kurz anschauen, abschätzen und sich nach Möglichkeit gar nicht davon irritieren lassen. Wichtig war nur, am nächsten Montag in der Konferenz etwas vorweisen zu können.

Doch wäre es ungerecht, den ganzen Lernerfolg dieses Praktikums einer Kaffeetasse anzurechnen. Die lebenden Insassen des Büros haben durchaus einen gewichtigen Teil dazu beigetragen. Zum Beispiel durch reichhaltiges Feedback zu jedem Stück Text, das ich produziert habe, bis hin zur letzten FSG.
Zum Beispiel durch Aufgabenstellungen, bei denen ich immer wieder erfahren konnte, dass es auch mangels Sonnenschein in Bochum möglich ist, über seinen eigenen Schatten zu springen: wie beim Porträt eines Bochumer Obdachlosen, das es erforderte, sich mit der halben Obdachlosenszene anzufreunden, eine Nacht in einer geklauten Wohnung zuzubringen, sich auf den Metallbänken am Husemannplatz den Hintern wundzusitzen und unter der Brücke am Schauspielhaus zu betteln.
Zum Beispiel durch Pochen auf Sorgfältigkeit bei Recherche und Formulierung. Durch viele Infos zum Handwerk. Durch die Vorbereitung der Revolution. Durch die Vermittlung des Eindrucks, dass die Aufgabe des Journalismus hier noch wirklich ernst genommen wird. Durch die extrem gute Atmosphäre im Büro.
Und nicht zuletzt auch durch die ständige Überforderung, ohne die mir die Weisheit der Kaffeetasse vermutlich nie bewusst geworden wäre.

Viele Aufgaben erforderten ein ganzes Stück Überwindung, aber gerade deshalb hatte ich dieses Praktikum machen wollen – um zu sehen, ob ich dieses Stück Überwindung aufbringen kann. Es war anstrengend, aber zugleich kann ich sagen, dass für mich bisher noch keine Aufgabe so abwechslungsreich, spannend und motivierend war wie dieses Praktikum.
Danke an alle, insbesondere Timo, Tobi und die Kaffeetasse!  (SK)

Kaffee, Können und Karriere – Wie der Traum vom Schreiben Wirklichkeit wurde

Praktikumsbericht

„Da kannst du mal all dein journalistisches Können vereinigen“, meinte mein Chef als wir das letzte Mal über diesen, meinen Praktikumsbericht sprachen. Na toll, dachte ich. Das Beste zum Schluss – in Form eines persönlichen Statements. Ganz schön schwierig, einen Kommentar zu schreiben, der alles wichtige beinhaltet, den Leser nicht langweilt und möglichst vor Ironie und Sprachwitz sprüht.

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